Erodieren

Thermisches abtragendes Fertigungsverfahren

Erodieren ist ein thermisches (abtrennende/abtragende) Fertigungsverfahren, bei dem (elektrisch leitfähiges) Material durch elektrische Funkenentladungen kontrolliert entfert bzw. abgetragen wird. Am häufigsten wird Stahl bearbeitet, aber auch Buntmetalle wie Alu, Kupfer oder Messing - Hauptsache das Material ist leitfähig. 
Das Prinzip? Beim Erodieren wird Material durch elektrische Funkenentladungen abgetragen. Zwischen dem Werkzeug (Elektrode) und dem dem Werkstück fließen kurze intensive Stromimpulse, die lokal extrem hohe Temperaturen erzeugen und das Material punktuell schmelzen und verdampfen lassen. Die Bearbeitung verläuft in einem elektrisch isolierendem Stoff, dem sogenannten Dielektrikum (meist Öl oder Wasser). Durch die Bearbeitung in diesem „Dielektrikum“ werden Partikel weggespült, gekühlt und zwischen den Impulsen isoliert - ohne geht‘s nicht! Funkenerodieren ist der Oberbegriff für alle „erodierenden“ Verfahren, bei denen Material durch elektrische Entladungen (Funken) abgetragen wird. Das Ziel beim Erodieren ist es, Material präzise abzutragen und zu formen – insbesondere wenn andere Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Das ist nämlich der große Vorteil beim Erodieren: Es funktioniert besonders gut bei extrem hartem oder gehärtetem Stahl, den man mit normalen Werkzeugen nicht mehr sinnvoll bearbeiten könnte, aufgrund von zu hohem oder zu schnellem Verschleiß. Dadurch lassen sich präzise und komplexe Formen herstellen, die mit Fräsen oder Sägen unmöglich oder unwirtschaftlich wären. Bei weichen, ungehärteten Materialen ist tendenziell eher fräsen/drehen/sägen die bessere Wahl – das ist schneller und günstiger - Erodieren wäre hier Verscnwendung. Erodieren lohnt sich erst, wenn das Material so hart ist und/oder die Form äußerst komplex, dass normale Werkzeuge oder die mechanische Bearbeitung nicht machbar oder wirtschaftlich ist.

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Senkerodieren

Beim Senkerodieren wird eine geformte Elektrode, meist aus Graphit oder Kupfer, verwendet, die als Negativ der gewünschten Form dient. Die Elektrode senkt sich kontrolliert in das Werkstück ein und erzeugt durch die Funkenentladung die gewünschte Kavität (Hohlraum/Aushöhlung) oder Kontur. 
Optimal für: komplexe 3D-Kavitäten, 3D Formen, Gesenke und Prägewerkzeuge. Besonders geeignet wenn Hinterschneidungen, Rippen oder strukturierte Oberflächen (z.B. Narben, Texturen) benötigt werden. Ideal für Spritzgussformen und Druckgussformen im Werkzeugbau und Formenbau.

Drahterodieren

Beim Drahterodieren dient ein dünner Metalldraht (0,02 - 0,3 mm Durchmesser), meistens aus Messing, als Elektrode, der kontinuierlich durch das Werkstück geführt wird. Das Verfahren ermöglicht sehr genaue 2D-Konturen und komplexe Schnitte. Das Verfahren funktioniert ähnlich wie bei einer Laubsäge, nur dass kein mechanischer Kontakt stattfindet. Der Draht wird dabei ständig von einer Spule abgewickelt und nach einmaligem Gebrauch entsorgt.
Optimal für: hochpräzise 2D-Konturen, Stanzwerkzeuge, Schneidplatten und filigrane Durchbrüche. Perfekt wenn keine Hinterschneidungen vorhanden sind und/oder sehr enge Toleranzen (±0,002 mm) gefordert sind. Ideal für Schnitt- und Biegewerkzeuge sowie für das Ausschneiden komplexer Konturen aus Plattenware.

Bohrerodieren

Beim Bohrerodieren werden Elektroden in Rohrform verwendet, um tiefe, präzise Löcher zu erzeugen. Das Verfahren eignet sich besonders für schwer zerspanbare Materialien und wenn sehr genaue Bohrungen mit hohem Aspektverhältnis (Tiefe zu Durchmesser) benötigt werden.
Optimal für: Tiefe Bohrungen mit kleinem Durchmesser (z.B. Kühlbohrungen in Werkzeugen), Startlöcher für das Drahterodieren, und Bohrungen in gehärteten Materialien. Ideal wenn das Bohrverhältnis (Tiefe/Durchmesser) sehr hoch ist oder wenn „normales“ Bohren nicht möglich ist.

Scheibenerodieren

Beim Scheibenerodieren wird eine rotierende Scheibe aus leitfähigem Material (meist Kupfer oder Graphit) als Elektrode verwendet. Die Scheibe dreht sich kontinuierlich und erzeugt durch Funkenentladung einen schmalen Schnitt im Werkstück, ähnlich wie beim Trennschleifen, nur ohne mechanischen Kontakt. Dieses Verfahren eignet sich hervorragend für das Schneiden von Nuten, Schlitzen oder das Abtrennen von Werkstücken und ermöglicht höhere Abtragsraten als das Drahterodieren. Die Scheibe verschleißt dabei und muss regelmäßig nachprofiliert werden.
Optimal für: schmale, tiefe Schlitze und Nuten, Trennarbeiten und Profile. Besonders wirtschaftlich wenn hohe Abtragsraten gefordert sind und die Geometrie einfacher ist. Gut geeignet für Kühlkanäle in Werkzeugen oder das Abtrennen von Werkstücken.


Werkstoffe

Nicht jeder Werkzeugstahl eignet sich zum Erodieren. Für gute Ergebnisse beim Erodieren gibt es bei der Wahl des Werkzeugstahls einiges zu beachten.
So ist beispielsweise ein homogenes Gefüge im Stahl, also die gleichmäßige Verteilung der Bestandteile wie Kohlenstoff und anderer Legierungselemente, wichtig für einen gleichmäßigen Materialabtrag. Ein mittlerer Kohlenstoffgehalt sorgt für eine bessere Oberflächengüte und eine feine Karbidverteilung (Karbide = harte Verbindungen aus Eisen und Kohlenstoff o.a. Legierungselementen) im Stahl verursacht weniger Ausbrüche und eine bessere Oberflächenqualität. Und generell gilt: Es braucht eine gute elektrische Leitfähigkeit! Je höher die Leitfähigkeit, desto besser die Energieübertragung beim Funken. Weniger legierte Stähle leiten besser und haben einen schnellerer Materialabtrag. AUch eine hohe Wärmeleitfähigkeit hilft. Sie ermöglicht schnelleres Aufschmelzen und Verdampfen und die Wärme wird schneller im Funkenkanal konzentriert.

Ein niedriger Schmelzpunkt im Werkstoff ermöglicht zudem leichteres Aufschmelzen. Legierungselemente wie Wolfram, Molybdän erhöhen den Schmelzpunkt. Das macht z.B. hochlegierte Schnellarbeitsstähle schwerer erodierbar. Generell ist es also empfehlenswert, auf weniger legierte Stähle zu setzen (zu wenig ist allerdings mechanisch ungeeignet für mechanische Werkzeuge). Hochlegierte Stähle (schlechtere Leitfähigkeit) mit groben Karbiden, pulvermetallurgische Stähle (langsamer Abtrag) oder sehr weiche bzw. sehr harte Stähle sind weniger geeignet zum Erodieren.  
Fazit: Die ideale Kombination ist ein homogener Stahl mit mittlerem Legierungsgehalt,  guter elektrischer & thermischer Leitfähigkeit und ausreichend mechanischen Eigenschaften. Diese Werkzeugstähle bieten ein sehr gutes Verhältnis aus Erodiergeschwindigkeit, Oberflächenqualität und Verschleiß der Elektrode.

1.2379
X155CrVMo12-1

Kaltarbeitsstahl

Der „Klassiker“ im Werkzeugbau. 
Gute Kombi aus Härte (bis 62 HRC) 
und Erodierbarkeit
· Chromkarbide sehr fein verteilt durch den hohen Cr-Gehalt
· trotz hohem C-Gehalt: homogenes Gefüge nach guter Wärmebehandlung
· gleichmäßiger Materialabtrag ohne große Ausbrüche
· moderate thermische Leitfähigkeit ausreichend für gute Erodiergeschwindigkeit
· verschleißfeste Oberfläche nach dem Erodieren - wichtig für Schneidwerkzeuge

1.2363
X100CrMoV5-1

Kaltarbeitsstahl

Guter Kompromiss.
Etwas weniger verschleißfest als 1.2379, 
dafür deutlich besser erodierbar
· niedrigerer C-Gehalt als 1.2379 = weniger Karbide
· geringerer Cr-Gehalt (5% statt 12%) = bessere elektrische Leitfähigkeit
· exzellente Oberflächengüte beim Erodieren
· weniger Elektrodenverschleiß als bei 1.2379 
· sehr feines Karbidkorn durch Molybdän und Vanadium

1.2343 
X38CrMoV5-1 

Warmarbeitsstahl

Der „Allrounder“.
Hervorragende Erodierbarkeit bei guter Warmfestigkeit. Sehr beliebt im Spritzgussformenbau
· niedriger C-Gehalt = deutlich weniger Karbide
· bessere elektrische Leitfähigkeit durch niedrigere Legierung
· sehr homogenes Gefüge im vergüteten Zustand
· glatte Oberflächen ohne Karbidausbrüche
· gute Zähigkeit verhindert Mikrorisse beim Erodieren

1.2344 
X40CrMoV5-1

Warmarbeitsstahl

Der „Premium-1.2343“.
Leicht bessere mechanische Eigenschaften 
bei nahezu gleicher Erodierbarkeit
· exzellente Bearbeitbarkeit
· sehr gleichmäßiger Materialabtrag
· ausgezeichnete Oberflächenqualität
· minimal höherer C-Gehalt kaum spürbar, etwas mehr Vanadium = minimal feinere Karbide

1.2311
40CrMnMo7

Warmarbeitsstahl

Der „Erodier-Champion“.
Im (oft) vorvergüteten Lieferzustand perfekt erodierbar. Ideal für Formhohlräume
· hervorragende elektrische Leitfähigkeit
· sehr homogenes Gefüge - kaum Karbide
· minimaler Elektrodenverschleiß
· ausgezeichnete Oberflächenqualität erreichbar

1.2312
40CrMnMoS8-6

Warmarbeitsstahl

Die „spanbare Variante“ von 1.2311.
Falls vorm Erodieren gefräst werden muss
· praktisch identisch mit 1.2311 in der Erodierbarkeit
· Schwefelzusatz beeinflusst Erodieren kaum
· sehr schneller Materialabtrag

Typische Anwendungen

· wenn Fräsen zu aufwendig/unmöglich/unwirtschaftlich ist
· wenn das Bauteil oder Werkstück bereits gehärtet ist:
· nachträgliche Änderungen an gehärteten Werkstücken
· Schlitze/Durchbrüche in gehärteten Bauteilen


Werkzeug- und Formenbau
· Spritzgussformen für Kunststoffteile
· Spritzgussformen mit komplexen Kavitäten und Hohlräumen
· Druckgussformen für Aluminium, Zink usw.
· Schneidwerkzeuge (z. B. Matrizen und Stempel)
· Stanzwerkzeuge mit präzisen Konturen
· Präge- und Ziehwerkzeuge
· Gesenke & · Pressformen

Maschinenbau & Metallbearbeitung
· Herstellung von Präzisionsteilen mit engen Toleranzen
· Bearbeitung harter Werkstoffe
· Herstellung von Passungen, Nuten und Mikrostrukturen
· Bearbeiten von Kühlkanälen, Bohrungen, Schlitzen
· Bearbeiten von hitzebeständigen Legierungen wie Titan


Feinmechanik / Medizintechnik
· Herstellung kleiner, präziser Komponenten 
(z. B. Implantate, Instrumente, Uhrenbauteile)
· Mikroerodieren für Bauteile im µm-Bereich


Prototypen- & Sonderfertigung
· Einzelteile oder Kleinserien mit komplexen Geometrien
· schnelles Anfertigen von Elektroden oder Negativformen
· hochpräzise Bauteile aus Spezialstählen


Vorteile
· scharfe Konturen und feine Details möglich
· Toleranzen im Mikrometerbereich
· Materialunabhängig (in Bezug auf die Härte)
· Bearbeitung gehärteter Stähle problemlos möglich 
·  kein mechanischer Kontakt zw.Werkzeug und Werkstück
· keine Spanbildung
· keine Schnittkante
· keine Verformung dünner Teile
· kein Werkzeugverschleiß
· sehr gute Oberflächengüte möglich
· sehr hohe Präzision
· komplexe Geometrien realisierbar
· Innenkonturen, Hinterschneidungen, scharfe Ecken möglich
· Drahterodieren: beliebige 2D-Konturen durch dicke Platten
· beim Senkerodieren: komplizierte 3D-Kavitäten

Nachteile
· sehr langsam und deutlich langsamer als mech. Verfahren
· für große Volumenabtragung ungeeignet
· relativ teuer (hohe Maschinen- und Betriebskosten, Stromverbrauch, Elektrodenverschleiß)
· nur elektrisch leitfähige Materialien verwendbar
(Kunststoffe, Keramik etc. gehen nicht nur mit Spezialverfahren)
· Leichte Oberflächenveränderung/ Verschleißschicht 
(dünne „weiße Schicht“ des aufgeschmolzenem Materials)
· Mikrospannungen sind möglich
· “Startloch“ beim Drahterodieren notwendig


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